26.05.2014 - Nur die Etappierung erhält die Identität

Der ungekürzte Leserbrief zu den Ausschreibungskriterien «Industriestrassen-Areal» der Stadt Luzern

Der Bericht & Antrag des Stadtrates an das Stadtparlament enthält wegweisende Punkte für die zukünftige Entwicklung des Areals. Eines vorweg: Vieles entspricht den Vorgaben aus der vom Luzerner Volk deutlich angenommenen Initiative ”Ja zu einer lebendigen Industriestrasse – für KMU, bezahlbares Wohnen und Kulturraum für alle”. Das ist positiv zu bewerten und auch ein Erfolg des partizipativen Prozesses, den die Stadt unter Einbezug von Partei-, Quartier, Kultur- und Industriestrassenvertretern durchgeführt hat.

Einem zentralen Punkt ist allerdings nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt worden. Nämlich das Areal in zwei Etappen bebauen zu können. In den letzten 20 Jahren hat sich auf dem Areal eine lebendige Lebens-, Arbeits- und Kulturgemeinschaft gebildet. Hervorgegangen sind aus dieser wichtige Trägerinnen und Träger aus Kunst, Musik, Film und Sport. Aber auch das jährlich stattfindende Strassenfest, das eines der grössten Luzerner Quartierfeste ist, wird von denselben Leuten organisiert. Eine Etappierung ermöglicht das Weiterbestehen dieser wichtigen, gewachsenen Quartierstrukturen. Aus anderen Arealentwicklungen weiss man, wie viel Aufwand und Zeit nötig sind, um eine neue Identität und Quartier-belebende Strukturen zu entwickeln.

Die Stadt beabsichtigt nur das ehemalige Käselager zu erhalten. Dieses wird heute durch das Puppentheater und mehrheitlich zu Wohnzwecken genutzt. Das heisst, dass beinahe sämtlicher Arbeitsraum für Gewerbe, Kreativwirtschaft und Kultur auf dem Areal und somit ein wesentlicher Bestandteil der Identität verloren geht. Dies widerspricht klar den Zielen des vom Stadtrat und Parlament verabschiedeten Planungsberichts ”Kultur-Agenda 2020” vom Februar 2014. In diesem anerkennt sie die wichtige und stimulierende Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft auf eine lebendige und zukunftsgerichtete Stadtentwicklung. Sie streicht heraus, dass diese in der Regel mit wenig Platz und einfachen Verhältnissen auskommt und günstige Räume benötigt, deren Erhaltung und Schaffung die Stadt unterstützen will. Genau dies erreicht sie, wenn zusätzlich die zwei Liegenschaften Industriestrasse 15 und 17 und somit gut 2'300 m2 Arbeits-Nutzfläche mittelfristig erhalten bleiben.
Die Stadt selbst attestiert einem Erhalt dieser zwei Gebäude die Möglichkeit einer behutsamen Transformierung und die Wahrung der heutigen Identität. Gegen einen Erhalt soll der sehr schlechte Zustand der Gebäude sprechen. Seit bald 20 Jahren vermietet die Stadt die Räumlichkeiten, wenn also der Zustand besorgniserregend wäre, dürfte sie diese gar nicht mehr vermieten. Die Bauten entsprechen ganz gewöhnlichen Altbauten, die wohl Sanierungsbedarf haben, aber in ihrer Substanz sehr solide sind und ohne weiteres noch zehn Jahre oder länger bestehen können. Eine moderate Erhöhung der günstigen Mieten ermöglicht es auch, sicherheitsrelevante Anpassungen vorzunehmen.
Ausserdem hätte man auch der Allreal Generalunternehmung zugestanden, das Areal in zwei Etappen zu bebauen. Es ist also nicht einzusehen, wieso die zwei Liegenschaften Industriestrasse 15 und 17 nicht mindestens solange bleiben können, bis die neuen Räumlichkeiten bezugsbereit sind. Damit ist es jenen möglich an der Industriestrasse zu bleiben, die deren Identität wesentlich geprägt haben. Es ist wie bei der Herstellung eines Sauerteigbrotes, bei der ein Rest des Mutterteiges dazu gebraucht wird, den neuen Teig zu impfen, um ein neues, herrlich duftendes Brot zu erhalten.

Cla Büchi, Architekt, Luzern

Cla Büchis Leserbrief wurde in der NLZ gekürzt, siehe hier oder NLZ - Online, 2. Juni 2014, 11:42 / NLZ - Printausgabe, 4. Juni 2014